Aphasie ist eine
erworbene Sprachstörung, die nach einer Hirnschädigung auftreten kann (meist
Schlaganfall, auch Kopfverletzungen nach Unfall, Tumor oder
entzündlichem Gehirnprozess) und bedeutet „Verlust der Sprache“. Durch
die Aphasie sind alle sprachlichen Fähigkeiten betroffen: Sprechen und
Verstehen, Lesen und Schreiben. Inneres Denken, persönliches und
allgemeines Wissen sind nicht oder nur gering gestört.
Aphasie ist eine Sprachstörung, keine
Denkstörung.
Aphasiker leiden oft unter
Begleitsymptomen: Die Planung von Bewegungen und
Handlungen gelingt nicht mehr automatisiert; alltägliche Tätigkeiten bei
der Körperpflege, beim Essen oder im Haushalt geraten durcheinander. Die
Aufmerksamkeit ist eingeschränkt; die Patienten können sich nur mehr auf
eine Sache konzentrieren, mehrere Dinge gleichzeitig führen leicht zur
Überforderung. Zudem beeinträchtigt die Gehirnschädigung die Motorik;
Lähmungen und Störungen der vegetativen Funktionen sind nicht selten.
Der Verlust und die Störung der
eigenen Muttersprache ist seelisch schwer zu verarbeiten.
Viele Patienten werden depressiv und verzweifelt, manchmal auch
aggressiv. Für die Angehörigen und Freunde ist es schwierig, sich an die
veränderte Situation anzupassen. Die Kommunikation mit aphasischen
Patienten erfordert Zeit, Geduld und Einfühlungsvermögen. Soziale
Einsamkeit ist oft die Folge der Aphasie. Aphasie hat nichts mit
geistiger oder psychischer Störung zu tun!
Je nach Art und Ausmaß der Aphasie sind die Fähigkeiten für schnelles,
vollständiges und genaues Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben in
unterschiedlicher Weise betroffen.
Störungen der Sprachproduktion
Das Sprechen ist bei allen Patienten gestört. Ein Teil der
Betroffenen spricht mühevoll, sucht oft erfolglos nach Wörtern oder
bildet Sätze im Telegrammstil. Andere sprechen flüssig, verwechseln aber
Laute oder vertauschen Wortbedeutungen. Den Betroffenen ist dies am
Anfang nicht bewusst. Sie denken geordnet, aber sie sprechen
„durcheinander“.
Störungen des Sprachverstehens
Auch das Verstehen kann unterschiedlich betroffen sein. Im
Extremfall nimmt der Betroffene Wörter nur dem Klang nach wahr, ohne
deren Bedeutung zu erfassen. Andere verstehen zwar einzelne Wörter, aber
nicht deren genaue Zusammenhänge in Satz und Text. Ähnliche Wörter
werden oft verwechselt. Dies beruht nicht auf einer Hörstörung, sondern
die Patienten verstehen das Gesagte nicht richtig, ähnlich wie ein
Besucher in einem fremden Land.
Störungen der Schriftsprache
Bei vielen Patienten sind Schreiben und Lesen ähnlich gestört wie
Sprechen und Verstehen. Manche Patienten können Wörter nur mühsam
Buchstabe für Buchstabe erfassen, andere wiederum erfassen die Worte als
Ganzes, was aber meist nur bei vertrautem Wortschatz gelingt. Aphasiker
verwechseln Wortbedeutungen und Wortformen und bemerken dies oft nicht.
Kommunikation ist ein gemeinschaftlicher Prozess, an dem alle Teilnehmer
gemeinsam teilnehmen müssen. Aphasische Menschen sind mehr als andere
auf kooperative Kommunikationspartner angewiesen, damit sie aktiv am
Gespräch teilnehmen können.
Folgende
Grundregeln sollten bedacht werden:
Respektieren Sie den
Betroffenen!
Menschen mit Aphasie nehmen aktiv am Leben teil und haben eine normale
Entscheidungsfähigkeit, Wünsche und Bedürfnisse. Ihre Lebenserfahrungen
und ihr Wissen werden durch eine Aphasie nicht gelöscht. Fragen Sie den
Betroffenen nach seiner Meinung, wann immer es geht.
Benehmen Sie sich normal!
Menschen mit Aphasie sind nicht geistig behindert!
Aphasische Personen sind Menschen
wie wir. Der Unterschied ist einfach, dass es Menschen mit Sprachstörung
sind!
Sprechen Sie nicht für den
Betroffenen!
Sie nehmen dem/der Betroffenen dadurch die Möglichkeit, ein
kommunikatives Erfolgserlebnis zu haben. Zudem kann es passieren, dass
der/die Betroffene erwartet, dass Sie für ihn/sie sprechen. Die Folge
ist, dass er/sie gar nicht mehr versucht, sich selbstständig zu äußern
oder gar das Selbstvertrauen in seine/ihre sprachlichen Leistungen
verliert.
Nehmen Sie den aphasischen
Personen nicht das Wort aus dem Mund!
Man sollte als Angehöriger nicht ungeduldig werden, wenn Menschen mit
Aphasie längere Pausen machen, mühsam nach Worten ringen, sich falsch
ausdrücken oder nur Fragmente äußern.
Korrigieren Sie nicht!
Wenn man genug Information für eine Korrektur hat, hat man die Person ja
verstanden, sonst könnte man ja nicht korrigieren. Der Sprecher hat also
sein Ziel erreicht! Systematische Korrekturarbeit ist Aufgabe der
Sprachtherapie.
Minimieren Sie Hintergrundgeräusche, indem Sie z. B. den Fernseher
ausschalten, das Fenster schließen oder z.B. dafür sorgen, dass bei
größeren Gruppen immer nur einer spricht. So wird der/die Betroffene
nicht unnötig abgelenkt und kann sich besser auf das Gespräch
konzentrieren.
Setzen Sie Hinweissignale („Peter, hör mal!“) vor Gesprächsbeginn und
nehmen Sie Blickkontakt auf.
Sprechen Sie langsam, klar
und deutlich!
Betonen Sie wichtige Wörter. Bevorzugen Sie einfachen Satzbau, aber
vermeiden Sie die Babysprache! Das ist für den/die Angesprochene/n
entwürdigend. Es ist gut, wenn man Wichtiges wiederholt. Diese
Wiederholung steigert nämlich die Chance für den/die Angesprochene/n, zu
verstehen, was ihm/ihr mitgeteilt werden soll.
Setzen Sie Gestik und Mimik
ein, um das Gesprochene zu unterstützen, da dies den
Gesprächsverlauf deutlich erleichtert.
Legen Sie Pausen zwischen die
einzelnen Äußerungen,
da es den aphasischen Personen dann leichter fällt, Gesprochenes zu
verarbeiten.
Das Anzeigen von Themenwechseln ist sehr wichtig, da Themenwechsel oft
zu Verwirrung führen können. Die Betroffenen wissen dann gar nicht mehr,
um was es geht.
Führen Sie
verständnissichernde Maßnahmen durch,
wie z.B.: „Hast du verstanden?“ oder „Hast du den Termin?“.
So kann man sicherstellen, dass die wesentlichen Aussagen auch
angekommen sind.
Achten Sie auf Zeichen der
Betroffenen.
Beobachten Sie den aphasischen Gesprächspartner genau, um Zeichen des
Verstehens oder Nicht-Verstehens zu erkennen. Bei Nicht-Verstehen können
Sie die Aussage wiederholen oder eventuell anders formulieren.
Lassen Sie Menschen mit
Aphasie Zeit für ihre Gesprächsbeiträge.
Sie brauchen einfach mehr Zeit, da Wortfindungsstörungen auftreten und
der Aufbau von Satzstrukturen weniger schnell oder nur bruchstückhaft
funktioniert.
Haben Sie Geduld!
Drängen Sie nicht in Gesprächspausen, wenn der/die Betroffene nichts
sagt. Sie sind oft in der Lage viel mehr zu sagen, als man meint, wenn
sie genügend Zeit haben!
Bieten Sie Hilfe an!
Sichern Sie das Verständnis! Sie können den Betroffenen Hilfe anbieten,
um Wortfindungen zu erleichtern. Diese Hilfen sind gleichzeitig oft auch
verständnissichernde Maßnahmen. Man kann rückfragen („Du meinst Herrn
Müller?“) oder sich verstandene Aussagen bestätigen lassen. Günstig sind
hier Ja/Nein-Fragen, da der Gefragte auch mit Nicken oder Kopfschütteln
antworten kann.
Dies ist ein Auszug aus einem Beitrag von Prof. Dr. Walter Huber, Wissenschaftlicher Beirat des BRA. Den kompletten Beitrag finden Sie auf den Seiten des BRA. (s. Links)